Interview mit Balz Müller – Foilkünstler

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Hey Balz, Viele kennen dich ja – aber stell trotzdem mal kurz vor.

Servus, ich bin Balz Müller aus der Schweiz, durch und durch verrückt – sagen zumindest manche. 

Du lebst in der Schweiz und bist einer der progressivsten Windsurfer, Foiler und Wingsurfer – wie passt das zusammen?`

Man kann so sagen, der Foilsport hat die Schweiz komplett auf den Kopf gestellt und auch der Wassersport hat sich durch das Foilen komplett zum positiven verändern. Plötzlich macht es Sinn Wassersportler in der Schweiz oder an einem Binnensee zu sein. Die Bedingungen sind ja meistens eher suboptimal und das Wunderzeug aus Carbon oder Aluminium (Foil) kann einem da wirklich den Tag versüßen. 

Kannst du vom Sport leben?

Seit vergangenem Jahr bin ich als Balz Müller selbstständig und kann endlich komplett vom Wassersport leben – somit ist mein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Als Windsurfer war es ultra schwer, aber der Foiltrend und das Wingsurfen haben es endgültig möglich gemacht. 

Wie hast du das Foilen für dich entdeckt?

Meine ersten Foilerfahrungen sind wirklich schon eine Zeit her, so 2013-2014 hab ich zum ersten mal versucht mit einem Hydrofoil zu windsurfen. Es hat mir aber ab der ersten Sekunde an wirklich Spaß gemacht (ich träume heute noch davon), obwohl das Material mehr als unausgereift war. Als dann einige Jahre später die ersten echten Foils rauskamen ist der Funke sofort wieder übergesprungen.

War am Anfang schon das Ziel Windsurffoil Freestyle zu machen oder war reines Cruisen ok?

Im meiner ersten Session wusste ich eigentlich schon, dass das Ziel sein wird. Ich hab da direkt schon Duckjibes und erste Sprünge versucht, hatte aber auch schon heftige Crashs obwohl ich noch nichts waghalsiges versucht habe. 

Die ersten Freestyle Tricks kamen dann ziemlich bald und es funktioniert eigentlich ziemlich jeder Move. Aber gerade am Anfang hatten wir da schon gewisse Bedenken und die Langzeitstudie zu den Schäden am Körper fehlen noch 😉 aber wir sind fest dran die Grenzen auszuloten. 

Wurdest du in der Szene dafür belächelt?

Ich denke, sogar noch heute werde ich für meine Foilstyle Sachen belächelt, generell aber auch fürs Foilen. Ich sag das immer so: die meisten lachen übers Foilen bis sie den ersten Flugversuch selber unternehmen und dann sind sie Feuer und Flamme. Aber das ist bei jeder Neuheit so, es gibt immer die Skeptiker. Trotzdem ist jeder Tag, ein guter Tag um etwas neues zu probieren!

Was macht Foilen für dich so besonders?

Foilen ist für mich einfach wie ein freier Vogel übers Wasser zu fliegen und einfach alle Sorgen hinter sich zu lassen. Dieses dreidimensionale Freiheitsgefühl (fast wie im Pulverschnee) lässt mich einfach nicht locker! 

Die Saison werden ja die PWA Freestyle Regeln geändert – und Foils offziell erlaubt, die Stimmen dazu sind sehr gemischt – wie stehst du dazu? Wird das viel verändern?

Das wird so eine Sache. Foilfreestylen im Worldcup ist fast unmöglich zu judgen. Wenn jemand einen Spock mit dem Foil macht und jemand einen Spock slidet, das ist nicht das selbe – aber schauen wir mal wohin sich das entwickeln wird, man muss halt auch mit der Zeit gehen. Wir hatten genug Events, wo man mit 5.2 nicht ins Gleiten gekommen ist und es kein Ergebnis gab mit Foil hätten wir aber performen können!

Als Beispiel: Vorletztes Jahr am Browersdam war wirklich 5.2 Pumpwind und ich war aber mit 4.4 Foil am Anschlag – das ist eine andere Welt. 

Wie das später gehandhabt wird werden wir sehen, es kann aber eine riesige Chance für das gesamte Freestyle Windsurfen sein, so dass wir mehr Events bekommen (auch mit Finne). Also generell sehe ich die Entwicklung schon positiv, bin aber selbst schon gespannt wie das Konzept umgesetzt wird.  

Du wechselst ja immer mehr zum Wingfoil, wie hast du begonnen?

Als leidenschaftlicher Sportler jeder Brettsportart kam das Wingen als Kombination von allem Surfen, Skaten, Snowboarden, Kiten, Windsurfen richtig rein. Durch das Unverbunden sein von Board und Wing gibt es so viele Möglichkeiten und das macht unglaublich Spaß. 

Welchen Trick lernt man da als erstes?

Beim Wingsurfen habe ich das Gefühl, funktionieren die Tricks viel einfacher, beim Windfoilen ist es komplizierter. Mit dem Wing springt es sich wirklich easy, es zieht einem auch hoch. Gerade der Upwind360, wo man erst 180 Grad Springen kann, lernt sich relativ unkompliziert. Als ersten Sprung sollte man sich am Raily versuchen, wo man sich vom Wing hinten nach ziehen lässt und dann die ersten Rotationen! 

Der Backflip ist ja grad der gehypte Move. Wie gings dir beim Lernen? Wie ist das im Vergleich zu einem Loop beim Windsurfen? 

Flips waren bis vor ein paar Monaten eigentlich unmöglich, alle hielten das für nicht machbar. Aber wie es sich in letzter Zeit bestätigt hat, ist es erstaunlich unkompliziert doch möglich, mit viel Mut und den Kopf ausschalten, mit Schwung nach hinten und schon bist du rum.

Es hat sich auch gezeigt, dass es dafür mehrere Techniken gibt. Zum Beispiel vom Freestyle Kiter Maxim Chabloz der springt mehr einen Trampolin Backflip (auch wie der Jeffrey Spencer, der ja der erste war), ich versuche mit meinem Windsurfbackground mehr einen Pushloop wie im Windsurfen zu machen. So ergeben sich unterschiedliche Styles. 

Insgesamt sind beide Varianten aber scary und kompliziert, aber sobald man rum ist fühlt es sich erstaunlich einfach an. Der Einstieg klappt am besten mit kleinem Foil, kleinem Wing, stärkerem Wind und etwas Welle. 

Beim Takeoff einfach voll Hinten reindrücken und nach Hinten schauen, aber oft passiert es halt das man nur eine viertel oder halbe Drehung macht und dann ziemlich verrückt crasht. Insgesamt würde ich sagen es ist nicht schwieriger als beim Windsurfen, aber doch deutlich anders!

Wie siehst du da die Einflüsse. Du hast ja den starken Windsurffreestyle Kitesurfbackground – das ermöglicht dann wiederum ein paar andere Moves? 

Ja generell werden die Moves einfach unterschiedlich zusammen gefügt. Manche Jungs springen schon Handlepasses wie beim Kiten und auch die Railys machen die auch deutlich anders. Den Windsurfeinfluss sieht man bei mir widerrum in den Flips und den Switch Rotationen. 

Das coole am Wingen ist ja, das es die Wassersportler gemeinsam aufs Wasser bringt: Surfer, Kiter, Windsurfer und so fusioniert sich das alles zu einem ganzen neuen Style. 

Welche Tricks sind da noch möglich?

Ich glaub es gibt kaum Limits. Es sind bestimmt auch 3 oder 4 fache Backflips möglich wie im Snowboarden, die Frage ist eher wie es dem Fahrer nach der Landung geht 😉 Aber so 720er, 900er sind schon eingedreht und gelandet, ich denke es kommt noch vieles was wir uns gar nicht vorstellen können, man ist ja nicht mit dem Brett verbunden wie beim Windsurfen oder hat Leinen wie beim Kiten. Wir werden noch viel sehen, es sprengt mir fast die Vorstellungskraft jeden Tag! Ich träume nachts schon von sehr verrückten Rotationen. 

Du bist auch stark in die Entwicklung der Ensis Wings eingebunden, was zeichnet den Wing aus? 

Ich frage mich die ganze Zeit wie Wingsurfen in 2 Jahren ausschauen wird. Auf jeden Fall werden die Wings immer direkter, einfacher, handlicher. Am meisten entwickeln wir gerade eigentlich das Thema Sicherheit, etliche Hersteller kommen ja ohne Sichtfenster aus- Fenster machen den Wing eigentlich deutlich schlechter aber umso mehr am Wasser sind umso notwendiger wird das. 

Interessant wird auch die Frage was braucht der Wingsport, der Markt, ob da vielleicht ein Boom ran muss oder eine andere Neuheit kommt. Wir geben wirklich Gas bei Ensis, wir machen viele Protos in unterschiedliche Richtungen, aber generell kann man sagen die Wings sind aktuell schon wirklich gut! Was da kommen wird und wie es kommen wird, kann man jetzt noch nicht wirklich sagen, war heute wahrscheinlich neu ist, ist in 3 Monaten schon wieder komplett überholt, das ist aber nicht nur bei den Wings so sonder auch bei den Foils und Boards natürlich. War aber auch letztes Jahr schon so, wenn ich daran zurück denke, bekomm ich Kopfschmerzen 😉

Welchen Wing würdest du als One Does it All empfehlen?

Der Ensis Wing funktioniert eigentlich sehr gut für alles, hat recht viel Power im Vergleich zu anderen Wings, hat genug Lift für Sprünge, ist direkt und easy zu kontrollieren für Sprünge und kann auch neutral gestellt werden auf einer Welle. Aktuell ist das meiner Ansicht nach sicher einer der besten One for Everything Wings. Viele Marken haben ja mittlerweile einige Modelle im Lineup. Wir sind aber natürlich auch am überlegen, wegen spezifischer Modelle für Freestyle, weil es einfach schon sehr spezial wird. Aber für den ersten Wingeinstieg braucht man eigentlich nichts spezifisches, sondern einen angenehmen Wing, der neben dir als Freund in der Luft schwebt und das macht der Ensis sehr gut. 

Welche Windrage deckst du mit so einem Standard 4,5er ab?

Das krasse an Wings ist die Windrange! In der ersten Woche Wingen hatte ich nur einen 4er und dann einen 4,5er. In der ersten Session war ich bei 5-10 Knoten Wind (eigentlich Windstille) und beim zweiten mal bei einem 50 Knoten Föhnsturm. Jedes mal mit dem gleichen Wing. 

Aber so ein 5er Wing deckt eigentlich alles ab, man kann den ja auch bei viel Wind überm Kopf neutral stellen, Ich flieg den 4.5er Wing eigentlich mit meinen 80kg in sämtlichen Windstärken. Wenn man da noch den Frontflügel beim Foil varriert, brauchts eigentlich nichts anderes mehr. 

Welches Foil fährst du? Wie viel Fläche empfiehlst du? 

Viele Foils! Mein absoluter Favourite ist der 1700er. Früher bin ich immer einen 2100er gefahren, aber der war ein bisschen zu groß für die Landungen. Als Lowwind Flügel ist man mit dem 2100er perfekt, fliegt bei wenig Wind und kommt auch leicht hoch – dann macht man schneller Fortschritte. Ich seh oft bei anderen Jungs die sehr kleine Foils fahren, dass sie deutlich weniger probieren, weil sie sich nicht ständig wieder neu anpumpen wollen!

Wie verändern sich die Wingboards aktuell? Was ist da noch möglich? Welches Volumen sollte man wählen zum Freestyle vs Cruisen?

Viele fahren auch super kleine Boards, Tituan zb fährt 30l. Ich hab mein Mittel gefunden bei 60l, fahre aber auch oft 80l. Es übt sich halt einfach mit mehr Volumen. Je nach Pumptechnik kann man bis zu 30l Volumen kaschieren. Bei euch am Neusiedler See braucht man wohl wegen der Tiefe ein bisschen größere Boards.

In welche Richtung glaubst du entwickelt sich Wingen noch. Bei uns in At starten immer mehr leute damit, wie ists bei euch in der Schweiz?

So wie ich das sehe, geht es durch die Decke. Bei uns bringt es Leute aufs Wasser, die nicht einmal Wassersport Erfahrung haben. Ich seh immer mehr Leute an den Spot kommen, die ich noch nie am Wasser gesehen hab, und das finde ich mega schön zu sehen wie attraktiv Wassersport wird. Das Potential der neuen Sportart ist gerade fast unbegrenzt. 

John Carter

Bist du mittlerweile mehr am Wingen als Windsurfen?

Schwer zu sagen. Wir haben oft ideale Wingbedingungen (also schlechte Windsurfbedingungen), deswegen bin ich oft auf dem Wing unterwegs. Es wingt sich halt einfacher beim schwachem Wind. Ich hab es gerade wieder mal gemerkt wie ich ein Windsurfoilboard getestet hab. Ich war mir vom Wasserbild (Schaumkronen) eigentlich sicher das es reichen müsste und mit dem Wing war ich schon am rumfliegen, aber zum Windsurffoilen hat es nur mit extrem viel Einsatz gereicht. Wingen ist da etwas unkomplizierter und deswegen bin ich aktuell schon mehr mit den Wings unterwegs. Bei uns bläst ja zu Teil auch nur sieben Knoten Wind und sehr böig mit dem Wing pumpst du 5m an und kannst nach 10m schon einen Trick machen und bist sehr wendig. 

Wenn gut Wind ist bin ich sofort normal Freestyle Windsurfen ist meine große Leidenschaft, da hab ich richtig Bock drauf. 

Was hast du dir für 2021 im Sport vorgenommen? PWA, Wingtour, Weltmeister Titel?…

Wenn alles zu Stande kommt sind aktuell sieben Wingtour Stops. Das sind viele neue Orte, das find ich spannend. Nach 10 Jahren PWA war ich fast nur für Contests an 3-4 Orten, aber dennoch hab ich auch heuer wieder Lust auf die PWA (Windsurftour) zu gehen und coole Sessions mit den Windsurfjungs zu teilen.

Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob alles stattfindet. Seit 2020 versuch ich gar nicht mehr Pläne zu machen, denn wir leben in einer schnelllebigen Welt wo alles fast unplanbar ist aktuell. Ich freu mich auf die Saison und geb Voll Gas.

Eine Frage noch zum Abschluss, immer wieder geistern Videos von dir im Schneesturm durchs Web – wie erträgst du diese Temperaturen? Welche Tipps und Tricks hast du fürs Wintersurfen? 

Ich war auch heute wieder bei Schneeregen und wirklich kalten Temperaturen am Wasser. Vielleicht hab ich auch ein extremes Kälteempfinden (oder eben nicht), aber ich bin halt mit diesen Verhältnissen auch aufgewachsen! Trotzdem glaube ich, man kann sich da auch ein bisschen abhärten – das meiste ist definitiv mental. Ich habe da sicher auch kalte Finger, am Körper ist es mit einem guten Neoprenanzug sicher nicht kalt. Wichtig ist eine dicke Haube, denn die meiste Wärme verliert man über die Kopf – es engt halt ein. Wichtig ein guter Anzug. Ich fahr einen 5/3er Anzug und wenns richtig kalt ist noch einen Shorty unter dem Neo – dann hat man so eine 7mm Schicht, kann sich aber kaum mehr Bewegen, aber man kann Rippen.

Wie gesagt das Problem sind die Hände, die geschlossenen Handschuhe sind nicht ideal weil man so leicht Krämpfe bekommt, am besten sind eigentlich Fäustlinge mit offenen Handflächen. Einen Trick kann ich aber verraten: Man geht raus, fährt 3-4 Schläge, kommt wieder rein, lässt die Finger auftauen- schaut dass wirklich wieder Blut in die Finger kommt. Das tut zwar eventuell etwas weh, aber dann bleiben die Finger danach viel länger warm und man kann bei sehr kaltem Temperaturen erträglich surfen. Gute Ausrüstung lohnt sich aber.

und jetzt bis bald am Wasser euer Balz!

by ccfilms

Wordrap

Homespot: Bielersee (Schweiz) (jeden Tag Wind fürs Foil)

Lieblingsspot: Neuenburger See (auch Schweiz) bei richtig Sturm Wahnsinn

Lieblingstrick:

Windsurfen: Shifty (wie Achterbahn)

Wingsurfen: 720 aus Swich 

Foilstyle: Backloop aus Flachwasser

Wenn du wählen müsstest: Windsurfen oder Wingsurfen / Finne oder Foil / Welle oder Flachwasser / Bus oder Hotel

Ich wähle nicht mehr: morgens Wellenreiten, dann mit dem Wing die Wellenabreiten bis der Wind stärker wird und dann eine richtig fette Wave/Freestyle Session zum Windsurfen und zum Abschluss noch ein bisschen Kiten. Und ganz ehrlich mit dem Bus hab ich mein eigenes Hotel immer dabei 😉

Sponsoren: Danke dass Sie mein Traumleben unterstützen und möglich machen

MB Boards, Severne, Ensis, Moses, Dakine, Silvaplana

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Facebook: Balz Müller Suistyle

Youtube: Balz Müller 

 

Photos von Chris Czadilek, John Carter, Roger Gruetter